6. Der Weg nach oben…

6. Der Weg nach oben…

Nach einer Weile kommt wieder eine Schwester herein.. Sie möchte, dass ich mich am Bettrand aufsetze. Man müsse ja mal schauen, was mein Kreislauf so treibt. Die hat gut Reden. Ich habe nicht mal die Kraft, mich selbst im Bett umzudrehen. Aber sie und eine junge Kollegin helfen mir “gnadenlos” auf. Man ist das anstrengend. Irgendwann sitze ich am Bettrand und die Beine baumeln nach unten. Immer wieder erkundigt sich die ältere der beiden Schwestern, wie es mir geht, ob alles in Ordnung ist. 

Ich bin einfach nur erschöpft. Aufsetzen, nach vorne an die Kante rutschen – alles ist wahnsinnig anstrengend und ich fühle mich so unendlich schwach. Nun sitze ich da, nach vorne gebeugt, wie ein nasser Sack, aber die Schwester lobt mich und freut sich, dass da ja sogar noch ein wenig Körperspannung da sei. 

Dann geht alles sehr schnell. Im einen Augenblick geht es mir noch ganz gut und im nächsten beschließt mein Magen, dass jetzt doch ein guter Zeitpunkt wäre, um sich der Galle zu entledigen, die sich in den letzten elf Tagen so angesammelt hat. Ist gerade eh nutzlos, also raus damit. Schneller als ich schauen kann, bricht es aus mir heraus. Dann ist kurz Ruhe und ich schnaufe schwer, vor Anstrengung. Sitzen ist ja schon übelst anstrengend… das macht die Aktion mit der unfreiwilligen Magenentlehrung nicht besser. Die jüngere der beiden Schwestern fängt an, die Sauerei auf dem Boden vor mir mit Tüchern auf zu wischen. Wenn das mal kein Fehler ist…

Im nächsten Moment bestätigt mein Magen die Vermutung. Ein weiterer Schwall gelber Galle bricht aus mir heraus und trifft die Schwester quasi im Nacken. Sie tut mir in diesem Moment wirklich Leid, aber ich kann das echt nicht halten und als sie sich reflexartig umdreht, bekommt sie auch von vorne noch eine Breitseite. ‘Armes Mädel’, denke ich mir, aber ich kanns leider nicht ändern und verhindern konnte ich es auch nicht. Ich fühle mich nur noch elender und das nicht nur, weil das “Sich übergeben” ja generell diesen Effekt hat.

Als ihre Kollegin mit der Spucktüte am Bett steht, bin ich fix und fertig. Mein Magen auch – Entleerung vorerst abgeschlossen. Jetzt brauche ich die Tüte nicht mehr. 

Mein Kreislauf läuft auf Hochtouren. Ich zittere vor Schwäche und habe das Gefühl, dass ich die Galle sogar im linken Ohr habe. So eine Sauerei. Während die ältere Schwester sich um mich und mein Bett kümmert, mich abputzt und umzieht, Bettwäsche wechselt und dergleichen mehr, ist die jüngere wohl bereits auf dem Weg in Richtung Dusche. Ob das ihr erstes Mal war? Jung genug dafür wäre sie, denke ich. Sowas passiert ja sicher auch nicht jeden Tag.

Hab ich sie “getauft”? Ich sehe, wie jemand ein Foto von der völlig voll eingesauten Schwester macht, das dann später an der Pinnwand unter der Kategorie “Mein erstes Mal” seinen Ehrenplatz bekommt. 

Im Pflegedienst kommt es ja sicher immer mal wieder vor, dass man von derlei Flüssigkeiten “erwischt” wird, aber ich glaube so kolossal wie gerade eben, passiert das nicht so oft. 

Diese Bilder sehe ich tatsächlich vor mir, völlig real – sogar mindestens zweimal – auch wenn mein Verstand mir später sagt, dass ich das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gesehen haben kann.

Das ganze Waschen, umziehen und Bett neu machen ist für mich die reinste Tortur. Es ist einfach elendig anstrengend. Als ich von der Schwester gewaschen werde ist mir kalt, denn das Wasser verdunstet ja auf meiner Haut. Da ändert auch das Fieber so gar nichts daran, das noch immer mein Begleiter ist. Im Gegenteil, auf der heißen Haut verdunstet das Wasser nur noch schneller. 

Erschöpft liege ich in meinem frisch bezogenen Bett, in einem frischen OP-Hemdchen – diesmal ein weißes. Ich bin so dermaßen platt von dieser Anstrengung, dass ich einfach nur da liege und die Augen wieder schließe.


Augen schließen ist auch ein spannendes Thema. Denn immer wenn ich das tue, springt das Bespaßungsprogramm an. Offensichtlich ist hier irgendein High-tech installiert, der Bilder in die fast geschlossenen Augen projiziert. Damit sollen die Gehirne der Schlafenden Koma-Patienten ein wenig bei Laune gehalten werden. Eigentlich gar nicht so blöd. 

Das Programm hat drei große Teile, die mehr oder weniger immer wieder nacheinander ablaufen. Als erstes kommen Farbwirbel. Wie der Name schon sagt, drehen die sich, ich glaube es war im Uhrzeigersinn, und das nicht gerade langsam. Das ist echt doof, wenn man einschlafen will. Ich werde regelmäßig seekrank davon und bin wieder hellwach, hellwach, hundemüde und total KO.

Dann zoomt das Programm immer wieder in einzelne Farben hinein, immer schön quer durch den Regenbogen, wobei die Farbe Lila irgendwie häufiger auftaucht, als die anderen Farben, zumindest immer dann, wenn ich gucke. 

Nach den Farbwirbeln kommt eine bunte Wolke aus Bildern. Auch die drehen sich, allerdings etwas langsamer. Man kann in die Bilder hinein zoomen und sich einzelne davon genauer betrachten. Überwiegend sind es schöne Landschaften, Feld, Wald, Flur, Steppe auch der Grand Canyon ist dabei, außerdem Indian Spirit Bilder mit einsamem Indianermädchen in der Landschaft, mal mit, mal ohne Wolf und dergleichen mehr. Teilweise sind Halloween-Gruselbilder dabei, die irgendwie nicht so richtig zu den Entspannenden Landschaften passen wollen – Totenschädel auf einer Treppe, mal mit und mal ohne Kürbisdeko, mal offensichtlich Plastikdeko, mal eher nicht. Auch einige Bilder von hungernden Kindern in Afrika, die im regennassen Dreck spielen, sind in der Bilderdatenbank. Wer die da wohl rein gepackt haben mag? Keine Ahnung!

Die Landschaften sind aber wirklich schön und manchmal glaube ich, dass sogar leise Entspannungsmusik im Hintergrund läuft, während ich eine der Landschaften näher betrachte. Tolle Technik ist das, das muss ich schon sagen. Trotzdem wäre es schön, wenn man sie auch abschalten könnte.

Der dritte Teil im Spaßprogramm ist eher für Kinder gedacht. Kleine Spielchen die man mit kleinen Bewegungen steuern kann und quasi im eigenen Auge sieht, was passiert. Echt klasse. Ich habe sogar beobachtet, dass ein Zimmerchen weiter ein Pfleger mit einem Kleinen Jungen spielt. Dieser hat wohl die Arme in Gips und kann sich kaum bewegen, soll aber durch die Spiele zumindest ein wenig aktiver werden. Das sehe ich durch die, teilweise mit Milchglas versehene, Scheibe, die unsere beiden Zimmer trennt. Dass mein Zimmer doch eigentlich gar keine Glasscheibe hat, fällt mir in dem Moment gar nicht auf. 

Später gesellt sich eine Schwester zu dem Jungen, um mit ihm zu spielen und ich bekomme mit, dass sie sich in dem Spiel recht gut schlägt.
Ich versuche mich von meinem “Interface” aus auch in das Spiel einzuklinken. Aber irgendwie schaffe ich es nicht, mich als Spieler einzuloggen. Ich kann jedes Mal, wenn ich es versuche, nur zuschauen. Aber immerhin. Auch das ist ja durchaus unterhaltsam.

Zwischendurch schleichen sich sogar mal zwei Jungs zu mir herein, um bei mir zu spielen. Die Technik ist wohl nicht überall verbaut. Ein Pfleger bugsiert die beiden aber wieder nach draußen. Sie sollen mich nicht stören, weil ich Ruhe brauche. Dabei fand ich die Gesellschaft eigentlich ganz nett. Irgendwann gehe/schwebe ich eine Etage höher, wo die Kinderintensivstation ist und besuche die Kinder dort. Irgendwie hat das ganze da oben ein wenig den Charme eines Schlafsaals im Internat, wie man es aus Büchern wie Hanni und Nanni oder Dolly kennt. Während ich diese Dinge sehe und erlebe, ist das für mich alles völlig real.

Ich bin erschöpft und will schlafen, was die Farbwirbel und die Tatsache, dass ich davon seekrank werde, immer wieder erfolgreich verhindern. Wenn man dieses Spaßprogramm nur irgendwie ausschalten könnte.

Ich höre Stimmen in einem Raum über mir. Eine Art Beobachtungs Lounge, von der aus man wohl einen Blick auf die einzelnen Bereiche der Intensivstation hat. Dort werden gerade junge Pflegekräfte ausgebildet und bekommen einen Vortrag darüber, wie sie in verschiedenen Situationen reagieren sollen. 

Als krönender Abschluss wird die Station unter den Jungen Pflegekräften aufgeteilt. Jeder hat seine Zuständigkeitsbereiche. Einige haben echte Patienten zu versorgen, bei anderen liegen Dummys, die einen speziellen Notfall simulieren sollen. Hier muss der Dummy reanimiert werden, dort muss der Dummy-Patient nur eine neue Infusion bekommen. Keiner der Pflegeschüler weiß, was ihn oder sie treffen wird. Ich schaue dabei zu, wie die Patienten “verteilt” werden, beinahe so, als würde ich daneben stehen. 

Hinterher wird besprochen, wie alles gelaufen ist. Anscheinend geht es auf die Prüfung zu. Als Abschlussprüfung werden sogar große Geschütze aufgefahren. Es wird ein richtiges Szenario geschaffen. Im Wald wurde mit einer Kettensäge ein Baumfäller verletzt und sein Kollege fährt ihn mit dem Motorrad in die Notaufnahme. Hier müssen die Pflegeschüler, die da gerade vor Ort sind ihren Mann bzw ihre Frau stehen, denn von den “alten” Pflegekräften sind gerade jetzt rein “zufällig” alle irgendwie unterwegs, in der Pause oder anderweitig gebunden. Das ganze ist wohl die Abschlussprüfung. Hinterher höre ich, wie sich zwei der Pflegekräfte darüber unterhalten, was man sich dafür hat einfallen lassen und wie gut sich die Schüler doch geschlagen hätten. Dass ich ja in der Intensivstation und nicht in der Notaufnahme liege und dass der Eingang, zu dem die Notfälle so herein kamen überhaupt nicht existiert – was ich später dann beim ersten Rundgang mit dem Rollator in der Intensivstation selbst auch festgestellt habe – verwundert mich in diesem Moment nicht all zu sehr. Vielleicht habe ich in der Vergangenheit auch einfach zu viel “Grey’s Anatomy” geschaut. 

Auch, dass die Schwester, die mich grade betreut, felsenfest behauptet, dass sie hier derzeit gar keine Pflegeschüler betreuen, verwundert mich nur ein wenig. Aber irgendwie denke ich auch nicht weiter darüber nach. Außerdem will ich ja sowieso lieber schlafen. Aber meine Bitte, das Bespaßungsprogramm doch abzuschalten, weil ich davon seekrank werde, wird ignoriert. 

Ich bekomme mit, dass auf dem Gang ein asiatisches Ehepaar auftaucht. Sie sind wohl mit dem Taxi gekommen, aber was genau mit ihnen los ist, weiß keiner und deutsch verstehen sie auch nicht. Es dauert eine Weile bis sich klärt, warum sie hier sind und wo sie eigentlich hin sollen. Aber wie die Geschichte wirklich ausgeht, bekomme ich nicht so recht mit. Irgendwas mit einem Asia Restaurant, aber da bin ich wohl eingeschlafen. Allerdings war der Blickwinkel, aus dem ich das alles teils auch beobachtet habe ein wenig ungewöhnlich. Denn die beiden sind einfach zum Eingang durch die Glastür herein gekommen und an der Tür gestanden…. an der Rampe, an der normalerweise die Krankenwagen ihre Patienten in die Notaufnahme bringen. Die sehe ich von meinem Bett  – falls sie wirklich existiert- überhaupt nicht. Das liegt aber vor allem daran, dass dort wo ich sie sehen würde eine Wand ist, mit Türen und definitiv keine große Glastür nach draußen. Ich bin ja auch nicht in der Notaufnahme sondern in der Intensivstation. 

Man mag es schon erahnt haben, aber das Meiste davon habe ich wohl geträumt, auch wenn es mir zur fraglichen Zeit völlig realistisch, logisch und echt vorgekommen ist. Ich kann auch nicht genau sagen, wann diese Dinge genau “stattgefunden” haben. Das ist in dieser Zeit alles ein wenig durcheinander und verschwommen und manche Szene habe ich glaube ich sogar zwei oder dreimal “durchgespielt”.

Immer mal wieder am Tag bekomme ich ein Mittelchen gegen Pilzerkrankungen in den Mund gesprüht, dass ich eine Weile im Mund hin und her schubsen soll. Anscheinend habe ich mir während der Beatmung erfolgreich einen Pilz eingefangen. Kommt wohl häufiger vor. Ist nicht sooo tragisch, aber muss halt behandelt werden. Die Schwester zeigt mir auch in einem Spiegel, wie das aussieht. Ja holla, meine Zunge trägt heute Pelz. Man lernt nie aus.

Wirklich lecker ist das Zeug ja nun grade nicht, aber es gibt schlimmere Geschmäcker – ich denke da noch immer mit Grauen an das Antivirus – Zeug, dass ich vor dem Koma geschluckt hab, in der Hoffnung, dass es hilft. –  Der Pilz wird mich sicher in den nächsten zwei oder drei Wochen noch begleiten. Aber das ist eindeutig das so ziemlich kleinste Übel. Es tut ja nichtmal weh oder juckt oder so …

Irgendwann später unternimmt die Schwester, einen weiteren Versuch, meinen Kreislauf ein wenig auf Touren zu bringen. Das “Wir setzen uns auf”-Spielchen geht in die zweite Runde, mit ähnlichem Erfolg. Wieder bahnt sich – diesmal eher grünstichige- Galle ihren Weg aus mir heraus, mit dem Effekt, dass das Bett und seine Benutzerin schon wieder runderneuert werden müssen. Ich brauche nicht zu erwähnen, wie anstrengend und unangenehm das Ganze ist. Aber das lässt sich wohl nicht ändern. Der Kreislauf muss ja auch mal wieder in Schwung kommen und nach elf Tagen nur unbewegt Liegen und sich vorher auch nicht viel Bewegen wird es dafür natürlich höchste Zeit.
Dennoch bin ich, nachdem ich endlich mit dem dritten frischen Hemdchen wieder im Bett liege, heilfroh, dass ich erst einmal wieder in Ruhe gelassen werde. 

Ich spiele ein wenig mit dem Handy herum. Der Welt da draußen mitteilen, dass ich wieder da bin, ist dabei mein Hauptziel. Ich lese die ein oder andere der zig Nachrichten und beantworte sie sehr kurz, manchmal nur mit einem Smiley oder Daumen hoch. 

Das ist anstrengende Schwerstarbeit. Immerhin sind die Felder ja nicht immer da, wo ich sie sehe, auch wenn es mit zunehmender Übung leichter wird, die Stelle auf dem Display zu treffen, die ich treffen will und dann wiegt das verdammte Ding ja auch noch….viel zu viel. Mehr als immer wieder mal zwei oder drei Nachrichten schaffe ich nicht. Viel zu anstrengend!

Auch die Mutter einer ehemaligen Schülerin hatte sich immer wieder nach mir erkundigt, sehe ich in meinen Nachrichten. Sie macht sich wohl mittlerweile auch Sorgen, weil ich so lange nicht geantwortet habe. Deshalb schreibe ich ihr kurz – eine gefühlt eeeeeewig lange Nachricht. Es dauert nicht lange, bis eine sichtlich erleichterte Antwort kommt. Sie ist echt froh, dass ich noch lebe und dass es mir besser geht. Ja, da ist sie in guter Gesellschaft.

Ein Physiotherapeut kommt ab jetzt täglich und macht mit mir Übungen. Meine Muskulatur will ja wieder angekurbelt werden und auch der Verdauung muss man erst mal wieder einen Tritt versetzen, damit sie wieder anläuft. Wobei im Moment den Großteil der Übungen der Therapeut macht und mir erklärt, was ich tun kann und soll, um meine Muskeln wieder zu aktivieren. Aber Fäuste ballen und Füße bewegen ist ja schon mal ein Anfang. Es mehrfach zu tun, oder die Beine gar zu heben, ist dagegen echt Schwerstarbeit und für mehr als ein paar recht kraftlose Versuche reicht die Energie auch nicht.

Der Tag vergeht Stück für Stück. Die Sauerstoffmaske weicht wieder der Sauerstoffbrille. Das macht das Reden durchaus leichter. Und ich stelle fest, dass der Sauerstoff in der Intensivstation „besser“ ist, als auf Station. Hier blubbert er nämlich erstmal durch Wasser, bevor er zur Nase kommt. Das hilft zumindest ein wenig gegen die trockene Nase. Für den Rest hilft wohl nur ein wenig Bepanthen, das ich von der Schwester bekomme, als ich wegen der trockenen Nase jammere.

Gegen Abend habe ich das erste Mal das Gefühl, dass ich etwas essen möchte. Die Abendessenszeit ist längst vorbei und nach den beiden nachmittäglichen Aktionen in denen ich buchstäblich Gift und Galle gespuckt habe – naja eigentlich nur die letztere – war es mir bisher echt nicht nach Essen zu Mute. Aber jetzt, irgendwie…

Bei der nächsten Gelegenheit erwähne ich das leichte Hungergefühl gegenüber der Schwester, die mich betreut. Als sie meint, dass sie mir nur einen Joghurt anbieten könne, finde ich das ein gutes Angebot. Ich habe zwar ein wenig Bedenken, was mein “verkuddelter” Magen von saurem Joghurt halten wird. Aber immerhin wäre das etwas essbares.
Als der Becher mit dem Joghurt bei mir ankommt, stehe ich vor dem Problem, dass ich den ja nun auch irgendwie essen muss. Verdammt, so ein Kaffeelöffel ist schon echt schwer. Aber wo ein Wille ist… gibt es Joghurt. So beginne ich tapfer, meinen Becher, besser gesagt dessen Inhalt, in meinen Mund zu löffeln. Es handelt sich um einen schlichten Naturjoghurt. 

Der Erste Löffel erreicht den Mund. Kalt und erfrischend breitet sich die weiße Masse in meinem Mund aus, schmeckt angenehm sauer nach Joghurt. HEY! ICH SCHMECKE WAS!
Ich habe in meinem Leben schon viel Naturjoghurt gegessen – ich mag das Zeug durchaus gerne – , aber dieser ist einfach der Oberhammer. Gierig löffle ich – so gut es, kraftlos wie ich bin eben geht – weiter und schnell ist der Becher geleert. Man war das lecker und so schön kalt und überhaupt.
Zufrieden, erschöpft und ein wenig stolz – immerhin habe ich den ganzen Joghurt alleine ausgelöffelt – stelle ich den Becher und den Löffel auf mein Nachtkästchen und erhole mich von diesem kulinarischen Ausflug. 


Es ist Schlafenszeit und ich würde ja gerne….aber geht ja nicht. Da ich schon vor meinem Koma nicht so wirklich gut geschlafen habe bitte ich darum, etwas zum Schlafen zu bekommen. Der Pfleger verspricht, beim Arzt deswegen nachzufragen. Irgendwann merke ich, dass es ein wenig “schwurbelig” im Kopf wird, aber wirklich schlafen kann ich dadurch auch nicht. Immer wenn ich die Augen schließe, springt das Bespaßungsprogramm an und ich schrecke wieder hoch, weil sich alles dreht. 

Vermaledeite Technik! Nachmittags war das ja noch ganz interessant zum Angucken, aber jetzt würde ich WIRKLICH gerne schlafen!
Ich lasse mir ein Tuch bringen, um es über die Augen zu legen. Vielleicht kann ich damit die Bilder abhalten. 

Leider bringt das irgendwie gar nichts, außer, dass ich das Licht vom Gang nicht mehr so hell sehe. VIER Lagen Frottee-Stoff und dieser High-Tech-Mist kommt noch immer durch. Das kann doch gar nicht sein! Ich bin verzweifelt. Ich will doch nur schlafen. Stunde um Stunde vergeht und ich schaue dem Uhrzeiger immer wieder zu, wie er langsam weiter wandert, sehr langsam. Wahlweise klinke ich mich in das Bespaßungsprogramm ein. Schöne Bilder, aber das mit den Spielchen im dritten Teilbereich kriege ich irgendwie nicht gebacken. Ich würde ja gerne mal mitspielen, aber leider schaffe ich es nicht, mich richtig in die laufenden Spiele mit einzuklinken. Deshalb kann ich nur zuschauen, bis das Programm wieder zu den Farbwirbeln wechselt. 
Am nächsten Morgen fragt mich der Nachtpfleger bei seiner letzten Kontrollrunde, ob ich gut geschlafen habe. Ich jammere ein wenig, dass ich gar nicht geschlafen habe, weil ich von dem Spaßprogramm ja dauernd seekrank werde. Er fragt, was ich denn für ein Spaßprogramm meine und ich erzähle von den Farbwirbeln und den Bildern. Ein wenig irritiert wirkt er, dann meint er, dass ich Morphine bekommen hätte und demnach süß und selig geschlummert haben müsse. Na da hab ich die Nacht aber anders erlebt. Beim rausgehen raunt er seiner Kollegin zu “Keine Ahnung, wovon sie da erzählt, aber klingt spannend.”
Ich weiß nicht so Recht, was er meint. Er muss doch wissen, was hier installiert ist.

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