3. Die ersten Tage…

3. Die ersten Tage…

Früh morgens kommt das Pflegepersonal und kontrolliert Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Temperatur. Viel geschlafen habe ich nicht. Der Husten ist nervig, mein Puls rast und lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Außerdem wird man im Krankenhaus eindeutig zu früh geweckt. Irgendwann kommt das Frühstück. Dazu verlasse ich kurz mein Bett. Danach lege ich mich wieder hin. Mein Zustand ist nicht viel anders. Der Husten wird schlimmer, ich fühle mich elend und der Tag plätschert so dahin… Ein wenig Fernsehen, ein wenig mit dem Handy herum spielen, den Leuten Bescheid sagen, dass ich im Krankenhaus bin, Telefonieren mit der Familie… Mittagessen und gefühlt kurz darauf schon Abendessen, aber Hunger habe ich eh nicht wirklich. Dazwischen immer wieder Werte Kontrollieren durchs Pflegepersonal.
Alle laufen total vermummt herum. Man erkennt kaum, wer unter der Maske, dem Gesichtsvisier und den verschiedenen Lagen Kittel steckt. 


Nach zwei Tagen ist das Testergebnis da: Corona positiv!
Wer hätts gedacht? Aber war ja irgendwie klar, bei den Bilderbuch-Symptomen. An der Lage ändert es aber auch nicht viel. Ich fühle mich bescheiden, dümple so vor mich hin im Krankenhausalltag.

So folgt ein Tag auf den anderen. Bei der Visite erfahre ich auch nicht viel neues. Ich fühle mich elend, huste mir die Seele aus dem Leib und trinke Wasser und Tee. Etwas anderes gibts ja nicht, abgesehen von Kaffee zum Frühstück. Den habe ich allerdings schon nach dem ersten Frühstück in Tee umbestellt. Ich stelle ja keine Riesenanforderungen an Kaffee, aber da könnt ich auch gleich das Spülwasser trinken, sagen jedenfalls meine corona geplagten Geschmacksknospen.

Eine Liebe Freundin bietet an, mir einige Dinge zu besorgen und im Krankenhaus vorbei zu bringen. So erreicht mich nach den ersten, etwas eintönigen Tagen ein Care-Paket mit frischem Obst, Säften, Halsbonbons und Salbeitee, außerdem als Überraschung noch Schokolade und ein kleiner Deko- Osterhase. Bis Ostern ist es schließlich nicht mehr lange. Ich freue mich riesig. Da geht es einem doch gleich ein Stück besser. Es ist schön, wenn man Freunde hat, die für einen da sind – selbst, wenn sie gar nicht richtig da sein dürfen. Ich lasse mir Heidelbeeren und Himbeeren schmecken. Ein Gedicht! Der Silberstreif am Horizont… ein wenig Luxus im Quarantäneexil. Ich genieße und danke meinem Helferengelchen.

Dass nachmittags irgendwann die Himbeeren unsanft auf dem Boden landen, weil ich das Schälchen aus Versehen vom Schränkchen schubse ist echt doof. Immerhin bedeutet es, dass ich aufstehen muss, um meine leckeren Schätze in Sicherheit zu bringen. Aber was tut man nicht alles für frische Beeren. Als vermeintlich alle Beeren wieder vom Boden aufgesammelt sind, lege ich mich zurück ins Bett. Das war echt anstrengend. Ich brauche eine Pause. 

Irgendwann klingelt die Blase, soll ja vorkommen, wenn man viel trinkt und dazu noch Infusionen bekommt. Ich stehe also auf, stecke die Füße in die Hausschuhe und schlappe los. Im nächsten Moment stelle ich fest, dass mein rechter Fuß nass wird und es verdächtig nach Himbeere riecht. Auf dem Klo sitzend begutachte ich das Elend. Die letzte noch lebende Himbeere – alle anderen hatte ich ja bereits gegessen – hat sich in meinem Schuh versteckt und ist jetzt Matsch. Irgendwie ist mir fast nach Heulen zu Mute. Ich merke, wie die Augen bereits feucht werden. So banal die Sache klingt, in diesem Moment ist es ein gefühltes Drama. Die Himbeeren waren so lecker und die eine hätt ich gerne auch noch gegessen, dazu noch die Sauerei, die sich jetzt im Schuh befindet und weggeputzt werden will. Das bedeutet, dass ich noch länger im Bad bleiben muss, um den Schuh und die Socke sauber zu machen, was mir in meinem elenden Zustand ja noch mehr von der nicht vorhandenen Kraft kostet. Das hätte es gerade echt nicht gebraucht. 

Aber es hilft nichts. Die Himbeere, oder was davon noch übrig ist, muss aus dem Schuh raus und essen will ich sie so natürlich auch nicht mehr. Schade drum. Aber da kann man nichts machen.

Der Abend geht weiter, ähnlich wie die anderen vor ihm. Ich trinke Saftschorle. Zumindest das ist eine hoch willkommene Abwechslung zu Tee mit Wasser und Wasser mit Tee. Zu Aktivitäten wie Häkeln oder Lesen habe ich nicht so recht Lust. Das ist alles zu anstrengend. Der Kopf ist zu matschig vom Fieber und die Lungen tun sowieso weh. Mittlerweile weiß ich nicht mehr so recht, was schlimmer ist, der Husten, oder der Muskelkater davon. Egal wie…es tut übelst weh. Aber wird schon wieder werden. 

So läuft halt der Fernseher nebenher als Gesellschafter und Berieselung. Hier und da höre ich durchs offene Fenster ein Pferd wiehern. 

Damit über die Wiese galoppieren wäre jetzt auch deutlich schöner, als hier zu liegen. Das geht gerade aber nur in meinen Gedanken und nicht einmal da kann ich mich so richtig darauf konzentrieren. Meditieren und Fantasiereisen sind eine Frage der Übung, heißt es. Da muss ich wohl noch kräftig üben, aber so lange will ich eigentlich gar nicht mehr hier sein.
Nachts kann ich nicht schlafen. Mein Puls rast. Wie soll man da zur Ruhe kommen? Selbst mit Schlaftablette wird es nicht wesentlich besser. Ich habe das Gefühl, dass ich genau so gut Smarties hätte essen können. Die wären wenigstens bunt…

Das Fieber will auch nicht sinken und hält sich trotz Paracetamol hartnäckig. Nach den ersten Tagen steigen sie mit der Infusion auf Novalgin um, aber das Fieber bleibt, oder besser gesagt, es steigt wieder, sobald die Fiebersenker in der Wirkung nachlassen.
Das Atmen fällt mir nach den ersten Tagen nicht mehr so leicht. Ich habe zwar keine Atemnot, aber es atmet sich nunmal nicht so gut, wenn alles weh tut. Dass auch sonst in der Lunge nicht alles im Grünen Bereich ist, merke ich bei jedem Atemzug. Das Röntgenbild, das von meiner Lunge angefertigt wird zeigt wohl ebenfalls wenig erfreuliches. Ich selber sehe es zwar nicht, aber die besorgten Blicke der Ärzte bei der Visite reichen, um zu wissen, dass auch sie mit der Situation ihrer Patientin nicht gerade glücklich sind.

Ich werde an den Sauerstoff angeschlossen und bekomme eine Sauerstoffbrille. Warum das Ding Brille heißt, ist mir zwar nicht so ganz klar – vielleicht, weil es unter der Nase liegt, wie die Brille es oben drüber tut – aber der Name ist ja egal. Sie soll mir beim Atmen helfen und dafür sorgen, dass mehr Sauerstoff im Blut ankommt. Aber so richtig schafft die Sauerstoffbrille das leider nicht. Die Sauerstoffsättigung sinkt, während der Puls hoch bleibt. Anders herum wäre es mir definitiv lieber. Die Luft, die durch das Röhrchen in die Nase strömt, ist etwas trocken, was sich nach und nach auch auf das Innenleben meiner Nase auswirkt. Das macht es nicht angenehmer. Aber wenigstens atmet es sich ein wenig leichter. Man ist ja auch mit kleinen Verbesserungen zufrieden. 

So begleitet mich nun das leise Rauschen des Sauerstoffs in meinem Schlauch. Anfangs etwas ungewohnt, aber man gewöhnt sich ja an vieles.

Der Tagesablauf im Krankenhaus ist mehr oder weniger immer der Gleiche. Dabei stelle ich täglich fest, dass mein Biorhythmus so gar nicht zu den Krankenhauszeiten passt. Spät Nachts, meistens dann, wenn ich grade am Einschlafen bin, kommt die Nachtschicht zur Kontrolle der Werte und schaut, ob alles passt. Da ist nicht schwer zu erraten, wer danach wieder hellwach ist und NICHT schlafen kann.
Früh morgens, wenn ich endlich mal eingeschlafen bin, macht die Nachtschicht ihre letzte Kontrollrunde, bevor die Frühschicht übernimmt. Wenn dir jemand am Arm Blutdruck misst, das Pulsoximeter an den Finger und ein Fieberthermometer ins Ohr steckt ist mit Weiterschlafen auch nicht mehr viel zu wollen. Meine Nächte sind also – zumindest was den Schlaf betrifft – eher kurz, auch wenn sie sich gerade deswegen sehr lang anfühlen.

Tagsüber wird man auch immer wieder gestört – meistens genau dann, wenn man gerade eingeschlafen ist. Natürlich macht das Pflegepersonal auch nur seinen Job und soweit ich das beurteilen kann, machen sie das auch gut. Aber lästig ist es halt schon, wenn man immer wieder genau dann aufgescheucht wird, wenn man endlich zur Ruhe gefunden hätte. Andererseits ist es ja auch gut, dass gelegentlich jemand nachschaut, ob noch alles in Ordnung ist.


Immer mal wieder wird in dieser Zeit Blut abgenommen und kontrolliert und am Ohrläppchen die Blutgaswerte kontrolliert. Blutabnehmen an sich ist ja schon eher lästig, aber das Blut am Ohrläppchen abzapfen für die Blutgaswerte ist noch mieser. Das Ohrläppchen wird mit einer Salbe eingerieben, die die Durchblutung fördert. Schließlich braucht man ja genug Blut, um das kleine Kapillarröhrchen zu füllen. Klingt alles nicht so schlimm, aber die Salbe sorgt dafür, dass das Ohr heiß wird. SEHR heiß! Ich liege also jedes mal da, und warte darauf, dass das Zeug lange genug gewirkt hat und jemand zum Pieksen kommt, damit danach die Salbe endlich wieder abgewischt werden und das Ohrläppchen sich beruhigen kann. Blutgase messen ist sicher notwendig, aber schön, ist es – wie so vieles im Krankenhaus – leider auch nicht. 

Morgens und Abends gibt es jeden Tag Gepiekse: Thrombosespritzen – da sind blaue Flecken vorprogrammiert. Aber hilft ja nichts, was sein muss, muss sein. Später erfahre ich, dass die Spritzen nicht nur wegen dem vielen Liegen nötig sind, sondern auch deshalb, weil das Virus gerne dafür sorgt, dass das Blut klumpt. Ich gebe zu, bevor ich eine Thrombose oder eine Embolie habe, bekomme ich lieber zweimal täglich die Spritzen. Aber auch die ändern nichts daran, dass es mir nicht besser geht. Ich fühle mich eher jeden Tag ein Stück schwächer.


Nach ca. einer Woche beschließen die Ärtze, mich auf die Intensivstation zu verlegen.

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